Gäbe es eine Rangliste, welche Musik man am schnellsten mit dem dazugehörigen Film in Verbindung bringt, dann nähme »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel« sicher einen der vordersten Plätze ein. Die glitzernden Klavierfiguren des Vorspanns, über die sich der samtene Glanz von Streichern und Holzbläsern legt, lassen auf Anhieb Bilder von verzauberten Winterlandschaften entstehen. Selbst wer den Inhalt des Films nicht kennt, wird wohl automatisch an märchenhafte Ereignisse denken, an eine Liebesgeschichte und natürlich an ein Happy End.
Der Mann, dem dieses kleine Filmmusikwunder zu verdanken ist, heißt Karel Svoboda. Nach den »Drei Haselnüssen« schrieb er noch weitere Hits, etwa die Musik zu »Wickie und die starken Männer« oder den »Biene Maja«-Titelsong. Für seine Märchenverfilmung ließ Regisseur Vorlíček dem damals 34-jährigen Komponisten weitgehend freie Hand, er wünschte sich lediglich, die Musik solle vor allem nicht infantil, sondern romantisch und schön sein und altertümliches Flair verbreiten. Besonders in den höfischen Szenen kommt das gut zum Ausdruck, etwa beim Einzug des Königs im Gutshof und natürlich bei der Ballszene im Schloss. Hier paraphrasiert Svoboda Musik des 17. Jahrhunderts, und zwar mit einem Augenzwinkern, wie es für den feinen Humor des Films typisch ist. Die Trompetenfanfaren der königlichen Reiter, das gravitätische Menuett beim Ball – sie alle wirken leicht überzeichnet, gleichsam durch die Märchenbrille betrachtet. Typisch der Instrumentenmix aus ganz unterschiedlichen Epochen: Cembalo, Oboe und Fagott, aber auch Klavier, Mandoline und Blechbläser.
Herzstück des Soundtracks ist aber das »Aschenbrödel«-Thema, das den ganzen Film hindurch immer neue Variationen durchläuft. Im tschechischen Original wird im Finale ein Schlager gesungen, und zwar von keinem Geringeren als Karel Gott, Svobodas bevorzugtem Interpreten. Für die deutsche Version hatte man stattdessen die instrumentale Titelmusik ans Ende gestellt, wodurch eine fast melancholische Stimmung entstand. […] Eines steht jedenfalls fest: Ohne Svobodas farbenreiche Partitur hätte der Film nie seinen Kultstatus errungen. Wie sagt Aschenbrödel noch, als der sichtlich verdatterte Prinz sie zum Tanz auffordert: »Wäre es nicht besser mit Musik?« Eben!
Marcus Imbsweiler
(entnommen aus dem Programmheft zum Weihnachtskonzert 2024 der NDR Radiophilharmonie, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des NDR)
