amicis animos, proximo palmas, huminibus artes
...oder auf deutsch: Den Freunden das Herz, dem Nächsten die Hand, den Menschen die Kunst
Mit wenigen Worten alles sagen
Wir haben sehr intensiv über einen Leitspruch nachgedacht. Ein Satz, der das, was uns vorantreibt und was uns eigentlich im Innersten zusammenhalten soll, in möglichst wenigen Worten beschreibt. Wir haben Bücher gewälzt, Aphorismen recherchiert, kundige Menschen gefragt - und haben doch nichts gefunden, was wirklich zu uns passte. So blieb uns nichts anderes übrig, als für uns selbst etwas zu finden. Und das Irre ist: je mehr man über diese Worte nachdenkt, desto passender sind sie. Doch was bedeuten sie uns?
amicis animos - den Freunden das Herz
Zunächst einmal wollen wir ein "Kreis von Freund*innen" sein, im Herzen verbunden wie Geschwister - weshalb wir uns in der Liubicia auch als "Bundesgeschwister" sehen und handeln wollen. Aber was ist das? Was ist dieser "bundesgeschwisterliche Umgang", von dem wir da reden? Wird man, wenn man in die Liubicia eintritt, gleich "der*die Freund*in" aller anderen? Ist das ein "inner circle", zu dem nur Eingeweihte Zugang haben? Nein, genau das nicht. Freundschaft entsteht nicht durch eine Unterschrift. Freundschaft entsteht nur dann, wenn sich die*der Einzelne selbst ehrlich darum bemüht, des anderen "gut Freund" zu sein. Und das geht nur dann, wenn jede*r Einzelne ihr*sein Herz öffnet und bereit ist, die anderen in ihr*sein Herz hineinzulassen. Das Freundschaftsprinzip ist also ein Versprechen, das man abgibt, eine Art Selbstpverpflichtung. Nämlich darum, sich um die Freundschaft der anderen bemühen zu wollen. Diese Selbstverpflichtung einer*s jeden von uns war uns so wichtig, dass wir es in unserem Bundesspruch wiederfinden wollten.
proximo palmas - dem Nächsten die Hand
Aber wir wollen ja nicht nur ein Freundeskreis sein. Wir haben ja mit Absicht in unsere Satzung hineingeschrieben, dass wir "als verantwortungsvolle Menschen allen Problemen aufgeschlossen sind und Achtung vor dem anderen und dessen Überzeugung haben." Wie kann man dieses Bemühen um Achtung und Respekt dem anderen gegenüber zum Ausdruck bringen? Tatsächlich fanden wir im lateinischen Wort palma eine wunderbare Umschreibung, denn einerseits kann man es mit dem Begriff "offene Hand" übersetzen, aber andererseits auch mit dem Wort "Palmzweig", welches wiederum auch ein Friedenszeichen ist (für die alten Römer sah eine geöffnete Hand in gewisser Weise einem Palmzweig ähnlich). Diese doppelte Bedeutung traf genau das, was wir meinen mit der Aufgeschlossenheit und Achtung anderen Menschen gegenüber. Und bei wem kann man besser anfangen, als bei dem Menschen, der gleich neben einem steht, also "dem Nächsten".
hominibus artes - den Menschen die Kunst
Und schließlich sind wir musisch, also "den schönen Künsten" zugewandt. Aber Kunst darf nicht etwas sein, was man im Keller versteckt. Kunst ist für die Menschen da, für alle Menschen. Auch wenn wir als Studentenverbindung schon dem Begriffe nach eigentlich "studentisch" sind, soll und darf unser Bemühen um die Künste niemals dort enden. Wir wollen Kunst allen zugänglich machen - ohne Ansehung von Geschlecht, Abstammung und Ethnie, Heimat und Herkunft, Sprache, Glauben oder der religiösen oder politischen Anschauungen. Wenn wir Kunst machen, dann soll es immer für alle Menschen sein. Und deswegen stehen unsere musischen Gruppen auch allen Menschen offen. Jede/r, die/der sich bei uns kulturell engagieren möchte, soll dies tun dürfen. Die Menschen sind für die Kunst und die Kunst für die Menschen da. Für alle Menschen.
Ein kurzes Nachwort zur Grammatik (Latein versus Deutsch)
Wer des Latenischen kundig ist, wird bemerkt haben, dass wir dort den Plural verwenden (animos, palmas, artes - also eigentlich "die Herzen", "die Hände" und "die Künste"), in der deutschen Übersetzung hingegen die Singularform. Dazu muss man wissen, dass "die Kunst" im Deutschen unspezifisch ist, also alle Formen der Kunst in sich zusammenfasst. Im alten Rom kannte man dies so nicht. Den Begriff ars (= Kunst) im Singular verwendete man immer mit einer entsprechenden "Konkretisierung" (z. B. ars vivendi). Wenn man allgemein von "Kunst" reden wollte, ohne sie näher zu bestimmen, so verwendete man den Plural von ars - in unserem Falle als Akkusativ Plural artes. Wir haben uns dann entschieden, diese Form auf die anderen beiden Teile des Bundesspruches zu übernehmen, auch weil der Spruch dadurch noch eine weitere Ebene bekam: Nicht nur, dass wir dem Nächsten beide Hände reichen, sondern es sind auch die Herzen, die wir den Freunden geben. Es ist eben nicht nur ein Herz, dass wir haben, sondern wir sind ein "Kreis von Freunden": jeder mit einem eigenen Herz, mit einer eigenen Seele. Und erst die Gemeinschaft dieser Herzen ergibt zusammen "die Liubicia".
Ein (wichtiges) Wort mit Blick auf gendergerechte Sprache
Wir hoffen deutlich gemacht zu haben, dass für uns nicht nur die Gleichbehandlung von Frauen und Männern, sondern aller Geschlechteridentitäten wichtig ist. Das ist für eine "Studentenverbindung" sicher nicht das üblichliche, aber auch deshalb sehen wir uns als Studierendenverbindung. Wir bemühen uns deswegen auch auf unserer Homepage und allen unseren Publikationen um eine geschlechtergerechten Sprache, also ein Sprachgebrauch, der in Bezug auf Personenbezeichnungen die Gleichstellung der Geschlechter in gesprochener und geschriebener Sprache zum Ausdruck bringen will.
Wir sind uns in aber auch bewusst, dass eine 100%ige Umsetzung nicht immer leicht ist und insb. dann an Grenzen stößt, wenn sie mit anderen Regeln sprachlicher Wirkung kollidiert. So haben wir uns in unserem Bundesspruch unter anderem für die Formulierung "dem Nächsten die Hand" entschieden, auch wenn diese dem Grundsatz der Gendergerechtigkeit nicht entspricht, da wir keine Formulierung gefunden haben, die gleichzeitig die große Bedeutung des Einzelnen als Sinnbild des unmittelbaren Umfeldes eines Jeden von uns (im Gegensatz zu "den Nächsten" bzw. als Abgrenzung zur "unspezifischen Übergruppe Mensch") und den Ansprüchen eine eine leichte Merkbarkeit ("Freunden", "Nächsten" und "Menschen" sind jeweils zweisilbige Wörter mit den relativ hellen Vokalen "e" bzw. "ä" in der ersten Silbe sowie Endung auf "en").
Für uns bedeutet Gendergerechtigkeit vor allem aber auch, dass wir uns in alle Richtungen immer der Wirkung von Sprache bewusst machen und die Gleichbehandlung aller Geschlechter als wichtigen Aspekt immer im Blick behalten wollen, auch wenn wir uns für eine Formulierung entschieden haben, die dies vordergründig nicht tut.
Wir sind uns aber auch bewusst, dass wir trotz aller Bemühungen Fehler machen. Solltest Du eine Formulierung finden, die Dir mit Blick auf eine gendergerechte Sprache nicht zusagt, so zögere nicht und schreib uns unter