Sind wir überhaupt eine "Studentenverbindung"?
O.k., das ist jetzt schon irgendwie sehr provokativ, denn natürlich sind wir eine Verbindung. Eigentlich. Eigentlich aber auch irgendwie nicht. Dass wir etwas besonderes sind, merkt man auch daran, dass wir eine Studierendenverbindung sind.
Das Problem ist, dass viele Menschen mit dem Begriff "Verbindung" auch gleich bestimmte Assoziationen haben: saufende Männer mit bunten Mützen und Bändern, die vor allem ihren Spaß darin haben, mit Hieb- und Stichwaffen aufeinander los zu gehen und dubiose Lieder zu singen - von politischen und gesellschaftlichen Einstellungen einmal ganz abgesehen. Außerdem - der gern geäußerte Vorwurf - seien Verbindungen vor allem Seilschaften, in denen es darum geht, sich gegenseitig Posten, Ämter und Jobs zuzuschustern.
Das alles wird man bei uns nur schwerlich finden können.
Das geht schon damit los, dass das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität bei uns keine Rolle spielt. Und auch die Einstellung zu den Getränken, die jede:r trinken möchte, überlassen wir jedem Menschen ganz allein.
Und was das Thema Seilschaften angeht: mal abgesehen davon, dass es sich bei diesem Vorwurf eher um ein politisch motiviertes Framing handelt, würde das bei uns schon auf praktische Probleme stoßen: wir sind noch so jung, dass wir noch gar keine Alten Damen und Alten Herren haben. Wir haben schlichtweg niemanden, der Posten, Ämter oder Jobs verteilen könnte.
Also: wieviel von Deinem Bild einer "Verbindung" bleibt da noch übrig? Und wenn Du uns nicht glauben möchtest, laden wir Dich gerne ein vorbeizukommen und uns persönlich zu prüfen.
Dass wir dennoch eine Verbindung sind, erklärt sich vor allem daraus, dass wir kein "Verein" sind.
Warum wir kein "Verein" sind
Nun, üblicherweise sind Vereine Zusammenschlüsse von Menschen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen: bei einem Wanderverein trifft man sich zum gemeinsamen Wandern, bei einem Chor trifft man sich zum gemeinsamen Singen usw. So weit, so normal. Solange der:die Einzelne mitwandert, mitsingt oder sich entsprechend einbringt, erfüllt er:sie den Vereinszweck mit.
Das heißt aber auch, dass man den Vereinszweck erfüllen kann, ohne sich näher mit den anderen Menschen auseinander zu setzen. Bei Vereinen reicht es im Üblichen aus, allgemein freundlich und höflich ist - und ansonsten mitzuwandern ,mitzusingen oder wasauchimmer. Natürlich ist es auch gerne gesehen, wenn man "mal zur Weihnachtsfeier oder zum Sommerfest" kommt. Aber eigentlich ist das nur unverbindliches Beiwerk.
Das ist uns ehrlich gesagt zu wenig. Wir glauben, dass es notwendig ist, sich mehr mit den anderen Menschen zu beschäftigen und sich aktiv auf sie einzulassen. Wir glauben, dass es notwendig ist, mehr dem anderen zuzuhören, mehr davon zu lernen, woher er:sie kommt - und das meinen wir nicht nur geografisch.
Gemeinsam musisch aktiv zu sein, ist eine gute Möglichkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Und deswegen wollen wir jedem Menschen die Möglichkeit bieten, bei uns musisch werden zu können.
Jeden Liubicen (egal welchen Alters, welcher Herkunft oder welcher Identität) aber nehmen wir in die Pflicht, sich für den anderen zu interessieren und als verantwortungsvoller Mensch den Problemen des anderen aufgeschlossen zu sein und Achtung vor dem anderen und dessen Überzeugung zu haben.
Genau dieser Grundgedanke unterscheitet die Musische Verbindung Liubicia von einem normalen Verein und ist zugleich historisch gesehen Kerngedanke, der zum Beginn des 19. Jahrhunderts und vor dem Hintergrund der Aufklärung und den Ideen der Französischen Revolution ("Liberté, Égalité, Fraternité") die heutigen Studentenverbindungen hat entstehen lassen.
Insofern ist der Begriff Verbindung genau der passende Begriff für uns, weil es keinen anderen Begriff gibt, der besser beschreibt, was uns im Kern ausmacht.